Aras Gökten

“Arkanum”

Farbnuancen werden von einem dunklen Hintergrund absorbiert oder gehen in kaltes Weiß über, Farbtafeln prallen dem distanzierten Betrachter als Screenshot entgegen, Zugehörigkeit erschließt sich dem Bewohner einer Großstadt nur unter Annahme von sterilen Vorgaben. Es sind Metapher, psychologische Fragmente, eines von sich entfremdeten Menschen in einer Welt, die sich ihm entzieht. Aras Gökten nähert sich nicht nur der Großstadt an, nein, er ist umgeben von ihr, verstrickt sich in ihrer Künstlichkeit und Kühle. „Arkanum“ ist eine Serie, die trotz Konzeptualität eindringlich und emotional wirkt, direkt und unmittelbar. Aras Gökten zeigt Ausschnitte verschiedener Metropolen – Fragmente, die in ihrer perfekten Komposition oftmals abweisend und befremdlich wirken, aber gerade dadurch faszinieren. In einer Welt, in der die Möglichkeiten, die sich durch Algorithmen errechnen lassen, im Vordergrund stehen und sich anhand von jenen Berechnungen in Vision­en oder Illusionen transformieren können, erzählt Aras vor allem von einem Geheimnis.

Die heutige Großstadt, egal auf welchem Kontinent, hat sich der Künstlichkeit verschrieben. Der italienische Schriftsteller Italo Calvino gab schon in einem seiner wichtigsten Romane “Die unsichtbaren Städte” (Le città invisibili) – bestehend aus 55 Texten – jeder einzelnen Stadt den Namen einer Frau, vielleicht um damit der Austauschbarkeit zuvorzukommen. Er beschrieb in jeder Episode, in jedem einzelnen Bild, welcher Zauber den ausgewählten Städten – wie Theodora oder Zoe – innewohnt, welches Geheimnis in ihnen liegt. Manchmal war dieses Geheimnis anhand der Sprache leicht zu entschlüsseln, oftmals jedoch lag die Schönheit und das Geheimnis der Städte im Dechiffrieren dieser, im Prozess des Entzifferns und des Entblätterns. Die unsichtbaren Städte offenbaren sich so in ihrer eigenen Ästhetik. Hier setzt Aras Göktens Serie an: Es ist das Entblättern und gleichzeitige Verbergen eines Geheimnisses, welches jede Stadt in sich trägt, seine auserwählten Städte und Orte sind namenlos, aber nicht seelenlos. Sie haben zwar alle die gleichen Kulissen und der Alltag des modernen Menschen ähnelt sich hier wie dort, dennoch entfachen sie eine große Sehnsucht und bergen neben ihrer starren Künstlichkeit auch Humor und Ironie. Obwohl der Mensch eine Statistenrolle einnimmt, verdichten sich die Bilder. Die Summe der einzelnen Teile ergibt so die exakte Choreografie, den Handlungsablauf, der wie ein roter Faden der Ariadne aus dem Labyrinth verschlungener Pfade und Wege führt.

Allein eine Frage bleibt indes: Wie werden all diese Orte in zehn oder zwanzig Jahren aussehen, die Aras Gökten bereits betreten hatte? Welche Elemente kommen hinzu, welche Elemente dürfen bleiben, welche Elemente verschwinden ganz, da alle Großstädte ständig einschneidenden Veränderungen und ewigem Wandel unterworfen sind? Arkanum ist gleich Momentum – in einer Momentaufnahme unserer Zeit.

 

Nadine Ethner / April 2017

 


© all images by Aras Gökten // Book: Aras Gökten „Arkanum“, 2014, Edition of 250