Isabelle Le Minh

Isabelle Le Minh (*1965) spielt mit unserem fotografischen Gedächtnis, in ihrer Arbeit werden Ikonen der Fotografie zu Inspirationsquellen. Die Ausstellung „Déjà Vu“ wurde von Sonia Voss kuratiert. Die Kuratorin stellt mit Isabelle Le Minh und Thibault Brunet zeitgleich zwei französische Fotografen in der Kehrer Galerie in Berlin vor. 

VTph traf Isabelle Le Minh zum Gespräch.

VTph: Isabelle, deine Arbeit paraphrasiert vergangene Werkszyklen bekannter Fotografen, wie Hiroshi Sugimoto und Bernd & Hilla Becher, die Ikonen geschaffen haben. Was interessiert dich an der Hommage und der Paraphrase?

Als Paraphrase würde ich meine Arbeit nicht bezeichnen, eher als Hommage. Es geht mir also nicht darum, die Originalwerke der Künstler zu wiederholen, sondern eher darum, sie zu dekonstruieren – sie auseinanderzunehmen – um sie mir dadurch anzueignen. Meine künstlerische Arbeit ähnelt dem Konzept der Appropriation Art. Ich hinterfrage demnach strategisch und kritisch die ursprünglichen Werke sowie das Medium Fotografie. In der Serie „Darkroomscapes“ habe ich Entwicklungsschalen in einer Art und Weise fotografiert, die den „Seascapes“ von Hiroshi Sugimoto sehr ähnelt. Ich habe die Wannen so fotografiert, dass man denkt, man wäre am Meer. Auch meine Aufnahmen könnten am Ozean vor Ort entstanden sein.

VTph: Suggerierst du damit dem Betrachter eine andere Welt?

In dieser Serie werden die Fragen nach Wahrheit, Glauben und Zweifeln aufgeworfen – diese Fragen unterstreichen meines Erachtens die Eigenschaft der Fotografie, die Realität transformieren zu können – als wäre das, was wir sehen, vor allem das, was wir glauben. Diese Serie zollt allerdings der analogen Fotografie Tribut, insbesondere der Beziehung zur Zeit. Es ist immerhin ein Prozess, von einem analogen Bild einen finalen Abzug bekommen zu können – ein Prozess, der viel Zeit und Geduld erfordert. In dieser Serie hatte ich daher auch mit einer Sinar Großformat-Kamera gearbeitet und die Abzüge habe ich dann später im Fotolabor entwickeln lassen.

VTph: Die Serie „Objektiv. After Bernd & Hilla Becher“, die die Arbeiten der Bechers als Ausgangspunkt nimmt, ist mit der Darstellung eines Kameraobjektivs verknüpft und nicht mit Architektur. Wie kamst du auf diese Idee?

Bei der Serie „Objektiv“ geht es darum, das fotografische Dispositiv zu „necken“. Mit ihren Typologien – die als anonyme Skulpturen bezeichnet werden – verkörpern die Bechers die deutsche Sachlichkeit. Ich finde es aber Paradox, dass ihre Präsentationen, so neutral sie auch gehalten werden, zur starken Signatur, gar zur Marke der Autoren geworden sind. Sie ist für mich so prägnant, dass man manchmal die Bilder nicht mehr sieht. Ich habe schon beobachtet, dass selbst Besucher auf Kunstmessen an meinem Stand, in dem meine Serie ausgestellt worden war, unaufmerksam vorbei gingen, weil sie dachten, meine Arbeit sei ein Werk der Bechers!

VTph: Wo hattest du die wunderschönen Objekte gefunden und was inspiriert dich bei deiner Arbeit?

Meine Inspirationsquellen sind oftmals Ikonen der Fotografie sowie alle Gegenstände und Anekdoten, die mit der Geschichte und Theorie der Fotografie verknüpft sind. Daher bin ich auch immer auf der Suche nach neuen Materialien. Ich hatte zum Beispiel die „Société française de photographie“ gefragt, ob sie mir erlauben würden, mit ihrer Sammlung zu arbeiten. Zum Glück waren sie dem Vorhaben gegenüber sehr aufgeschlossen. Dort entdeckte ich auch diese antiken Objektive, die ich für die Serie „Objektiv“ fotografiert habe. Ich sah diese Objektive auf einem Regal im Magazin der Société – sie lagen dort alle zusammen. Ich dachte sofort an die Wassertürme von Bernd & Hilla Becher. Da wußte ich, dass ich die Objektive unbedingt fotografieren wollte. Meine Arbeit ist eine reflexive Erkundung der Fotografie – ihrer Technik und Geschichte – und natürlich lese ich auch viel über Fotografie, um Ideen zu finden. Parallel arbeite ich auch installativ, manchmal nutze ich Videos oder ich produziere Künstlerbücher. Oft finde ich für meine Projekte die Dinge auf Flohmärkten und ich ersteigere auch Material auf verschiedenen Onlineplattformen. Ich versuche immer mehrdeutige Werke zu erschaffen, da helfen mir Objekte und Materialien sehr, die freie Assoziationen auslösen und gleichzeitig als Referenz wirken. Manche Ideen entstehen auch zufällig, oftmals durch die Resonanz von Lektüre, Gegenständen, die ich sehe oder Werken, die mir begegnen. Meine Methode ist nie fest, ich versuche immer so flexibel wie möglich zu bleiben und vor jedem Projekt entscheide ich neu, wie ich arbeiten will.

 

Interview: Nadine Ethner, März 2018


© all images by Isabelle Le Minh www.theshadowswilltakecareofthemselves.net/ Installation views by Barbara Eismann // The exhibition „Déjà Vu“ with Isabelle Le Minh and Thibault Brunet at Kehrer Galerie Berlin