Hiroyuki Masuyama

„Helle Mystik“

Der japanische Fotograf Hiroyuki Masuyama fordert gleich zwei Künstler in seinen eigenen fotografischen Arbeiten heraus und das auf ganz ungewöhnliche Weise.

Er nähert sich hier in seinen großformatigen Fotografien einer ganz europäischen, fast deutschen Epoche – der Romantik – mit Caspar David Friedrich, dem deutschen Frühromantiker und Joseph Mallord William Turner, dem englischen Landschaftsmaler und einer der größten englischen Maler seiner Zeit. Wir kehren zurück in das Faszinosum Romantik.

Das Transparentbild sowie der Transparenzfarbraum dieser montierten images, die teils wie Bildflächen erst einmal ohne eigenes Sujet zusammengetragen worden sind, bieten uns einen neuen Interpretationsraum unserer eigenen Kunst- und Kulturgeschichte.

Schon im 18. Jahrhundert war das Transparentgemälde als Präsentationsmöglichkeit bekannt. Friedrich nutzte es, um je nach Beleuchtungsintensität seine Malerei zu betonen und die Rezeption zu beeinflussen. Er malte eigens auf lichtdurchlässigem Stoff und dieser wurde mitsamt den Farbschichten zu bestimmten allabendlichen Stunden in dunklen Räumen von der Rückseite angestrahlt, so dass das Gemälde seine malerische Pracht in einer stimmungsvollen Atmosphäre voll entfalten konnte.

Masuyama stellt dieser Präsentationsform seine eigene entgegen: LED Lightboxes heben das Bild in eine ganz ähnliche, lichte Atmosphäre. Gleichzeitig spielt er mit seiner japanischen Herkunft. Das fotografische Werk darf dramatisch aufbrausen – und später nach Versunkenheit und Ruhe suchen. Es lässt Meditation zu. Stille. Kontemplation. Zen.

Wohin also führt uns diese Steinbrücke, die sich an dem gelbgrauen Massivgestein der Felswand durch das Tal entlang schlängelt? Sie entschwindet dem Auge des Betrachters. Und wir stehen perplex vor dem Bild.

Gleichzeitig glauben wir, alles schon gesehen zu haben, wir meinen, alles schon zu kennen und  jedem Bild schon nahe gewesen zu sein – in unserer Erinnerung.

“Auf seinen Reisen zu den Orten, Bergen, Gipfeln und Küsten, die Friedrich in seinen Titeln nennt, muss Masuyama jedoch feststellen, dass die Sehenswürdigkeiten und Landschaften nicht mehr in der Weise vorhanden sind oder nie existierten. Masuyama erfährt, dass auch Friedrich nicht das gemalt hat, was er sah, sondern dass er seine Eindrücke im Atelier verdichtete und das endgültige Werk aus der Natur, seinen Skizzen und seinen Absichten entstand.” 

Erik Stephan, Kunstsammlung Jena

Dabei wurden hier tausend Bilder zu einem Bild, tausend Farben zu einer Farbnuance transformiert. Schattierungen, die sich in leuchtende Farben wandeln, die zu Licht werden – all das episch erzählt und groß angelegt mit rhythmischem Stil, einer Kompositionsstärke und straffem Duktus.

Wolken, Winde, Wasser und Gestein. Sie umspielen das Licht – und nicht umgekehrt. Das Licht ist der Meister. Helle Mystik. Die Abwesenheit der Helden und Götter, die sich zu anderen Zeiten an diesen Naturschauplätzen tummelten, machen diese Fotografien zeitlos und zeitgenössisch zugleich. Das Licht strahlt von beiden Seiten. Es nimmt uns mit in eine Landschaft, die nicht von dieser Welt ist.

 

Nadine Ethner / März 2016


© all images by Hiroyuki Masuyama / Courtesy Galerie Rothamel Erfurt/Frankfurt M.