Collectors Agenda – Florian Langhammer

„Unsere Mission, wenn man so will, lautet: Kunst für mehr Menschen auf die Tagesordnung, also auf die Agenda, zu setzen.“– Florian Langhammer, Collectors Agenda

VTph magazine: Florian, du leitest die medienübergreifende Plattform für zeitgenössische Kunst Collectors Agenda, du kuratierst Editionen, führst Interviews, fotografierst und arbeitest parallel noch als Brand Consultant, bist also interdisziplinär unterwegs. Erzähl’ uns ein bisschen vom Starting Point von Collectors Agenda und die Entwicklung der Plattform.

Florian Langhammer: Kunst und Kunstausstellungen werden oft sehr exklusiv behandelt und besprochen. Das wissen wir alle. Wenn man sich zwar für Kunst interessiert, aber vielleicht keinen kunsthistorischen Background hat und auch sonst nicht zur Szene gehört, stößt man schnell auf gewisse Hürden. Die Kunstszene verwendet eine bestimmte Sprache und Codes, und versteht es, Barrieren zu errichten. Mein Partner und ich hatten vor einigen Jahren festgestellt, dass es kaum Angebote gibt, die einen niederschwelligen Zugang zu Kunst bieten. Wir wollten dem etwas entgegensetzen. Am Ende wollen wir in der Kunstszene ja alle dasselbe: mehr Menschen dafür gewinnen, sich mit Kunst auseinanderzusetzen.

Ende 2015 kam uns daher die Idee, eine digitale Editions-Plattform aufzubauen, auf der wir Editionen von internationalen Künstlern – meist Fundstücke aus Jahresgaben von Kunstvereinen – vorstellen und so einen erschwinglichen Zugang zum Kauf von Kunst bieten wollten.

Eine Editions-Plattform, also gar kein Magazin zu Beginn? Wie hat sich das mit der Zeit entwickelt? 

Wir sind anfänglich sehr blauäugig in den Kunstmarkt hineingegangen. Wir waren selbst neu in der Kunstszene und mussten uns erst etablieren und die Spielregeln kennenlernen. Den Start hat uns überhaupt erst die Wirtschaftsagentur Wien ermöglicht. Neben den Editionen hatten wir aber von Anfang an auch vor, ein Magazin auf der Website zu etablieren. Unsere Vorgehensweise war allerdings anfänglich recht unsystematisch. Wir hatten damals alles von Ausstellungsrezensionen bis hin zu Ateliergesprächen abgedeckt. Es war eine wilde Ansammlung von redaktionellen Beiträgen, die sich dem internationalen Kunstgeschehen auf unterschiedliche Weise näherte. Damit sind wir aber sehr aufgefallen. Wofür wir besonders bemerkt wurden, waren vor allem unsere Ateliergespräche. Da wussten wir recht früh, dass wir da scheinbar einen frischen Ansatz gefunden hatten. 

Die Ateliergespräche haben sich darin ausgezeichnet, dass wir anfangs recht unbedarft, ehrlich gesagt oft völlig unvorbereitet, die Künstlerinnen und Künstler aufgesucht haben und sie gebeten haben, uns zu erzählen, woran sie gerade arbeiten und was wir gerade in ihrem Atelier sehen. Wir wollten immer bei null anfangen – immer in der Voraussetzung, dass der Leser oder die Leserin quasi keine Vorkenntnisse hat. Daraus sind dann sehr lange Interviews entstanden, die teilweise etwas langatmig und anekdotisch waren und uns auf viele Nebenschauplätze geführt habe, da es vorab keinen Fragenkatalog gab. Das hatte aber offenbar Charme. Wir haben einfach immer gedacht, Künstlerinnen und Künstler sind ganz normale Menschen und man muss sie nicht auf ein Podest heben, wo man sich schon nicht mehr traut sie anzusprechen. Das wollten wir damit zeigen.

Ihr stellt Künstlerinnen und Künstler, wie du sagtest, sehr nahbar dar und versucht das auch in den Fotostrecken umzusetzen, die eher ungeschönt und ungestellt wirken.

Genau. Künstler sind ja eigentlich Menschen wie du und ich. Aber was sie besonders macht, ist ihr besonderer Blick auf die Welt. Und von diesem Blick können wir alle lernen und uns bereichern lassen. Das hat uns motiviert. 

Der persönliche Kontakt vor Ort ist uns sehr wichtig. Daher führen wir nach Möglichkeit alle Gespräche im Atelier und verlassen uns nicht auf vorhandenes Bildmaterial, sondern erstellen vor Ort eine eigene zusammenhängende Fotostrecke. Um dieses Prinzip der Nähe auch international umsetzen zu können, haben wir über die Jahre an den wichtigsten Kunststandorten auf der Welt ein Netzwerk von knapp 45 festen freien Korrespondentinnen und Korrespondenten aufgebaut. Und mit jedem neuen Interview an einem Ort, an dem wir zuvor noch niemanden hatten, bauen wir das Netzwerk aus.

Wir hatten auch viele andere Dinge ausprobiert, mussten dann aber feststellen, dass es diese Gespräche waren, wofür wir wirklich geschätzt wurden. Beiträge über neue Ausstellungseröffnungen schreiben schon so viele, und andere können es vermutlich besser, weil sie ein viel größeres Team haben als wir. Wir wollten uns im Team durch den Kulturkalender auch zeitlich nicht unter Druck setzen lassen. Daher haben uns auf zeitlose Inhalte konzentriert. 

Es klingt etwas verrückt, aber innerhalb weniger Monate nach unserer Gründung haben wir im Prinzip unser Geschäftsmodell um 180 Grad gedreht. Ab da waren wir keine Editionsplattform mit Magazin, sondern wir waren ein Magazin, welches auch Editionen anbietet. Mittlerweile habe ich ein wirklich tolles Kernteam beisammen, das sich hauptsächlich in Wien, aber auch in Berlin befindet.

Und welche Rolle spielen die Editionen in diesem neuen Kontext? 

Wir haben bald bemerkt, dass es eigentlich viel spannender und sinnvoller ist, die Editionen nicht von anderen Institutionen, sondern im direkten Kontakt mit den Künstlerinnen und Künstlern, die wir zuvor selbst im Rahmen unserer redaktionellen Tätigkeit im Atelier getroffen hatten, zu entwickeln, als irgendwo hinzugehen und Restbestände von Editionen uns unbekannter Künstler zu verkaufen.

Alle Editionen entstehen exklusiv bei uns und in sehr enger Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern, die immer sehr wertschätzend ist. Die Vertrauensbasis schafft immer der voran gegangene Atelierbesuch für Collectors Agenda als Magazin. Es sind daraus auch schon Freundschaften entstanden.

Wer kauft am Ende eure Editionen?

Das ist breit gefächert. Aber es ist etwas besonders Schönes, wenn junge Menschen, die neu in der Szene sind, ein Kunstwerk kaufen. Ich habe das schon öfters von jüngeren Sammlern mit Ende 20 oder Anfang 30 gehört „Hey, ich habe bei euch gerade mein erstes richtiges Kunstwerk gekauft.“ Denn auch jüngere Sammler möchten ein Original besitzen und nicht irgendeinen Kunstdruck aus einem Museumsshop. Aber wir haben durchaus auch sehr erfahrene Sammlerinnen und Sammler, die unsere Editionen schätzen, denn wir fassen den Begriff „Edition“ sehr weit. Bei uns gibt es vor allem Werkserien von Unikaten oder Editionen, bei denen das Einzelstück zumindest einen sehr starken Unikats-Charakter aufweist. Das ergibt auch aus insofern Sinn, weil wir dann vollwertige Ausstellungen für die entstandenen Arbeiten konzipieren können. Bei einem klassischen Multiple wäre das schwierig. Wir bewegen uns damit schon sehr nah an Galerieware, wie es so schön heißt. Die vertretenden Galerien sind aber immer in unsere Editionsprojekte involviert. Es ist uns wichtig, dass bei den Editionsprojekten alle voll dahinter stehen.

Ihr habt einen Ausstellungsraum in der Wiener Innenstadt, in dem regelmäßig Ausstellungen stattfinden. 

Diesen Ausstellungsort hier in Wien gab es erst später. Wir kommen aus dem digitalen Raum und sind seit ein paar Jahren nun auch physisch vertreten. Die Möglichkeit, unsere Editionsprojekte auszustellen, haben wir erst seitdem wir 2017 an den Franz-Josefs-Kai umgesiedelt sind, wo wir uns mit der jungen Wiener Galerie Zeller van Almsick als Untermieter in einer großen Altbauwohnung die Fläche aufteilen. Der Ausstellungsraum ist uns sehr wichtig und mittlerweile finden uns die Leute hier auch und kennen unser Programm. Seit letztem Jahr sind wir sogar im Wiener Gallery Guide gelistet. 

Was ist das Konzept eurer Ausstellungen. Gibt es beispielsweise auch Gastkuratoren, die ihr für die eine oder andere Ausstellung für euch gewinnen könnt?

Tatsächlich konzipiere ich die Ausstellungen selbst. Sie beinhalten immer Editionsprojekte von uns. Ich möchte die Projekte aber nicht einfach nur einzeln und chronologisch hintereinander zeigen, daher überlege ich mir immer, ob es spannende Bedeutungsebenen zwischen zwei Editionen gibt. Öfters nehmen wir auch größere Werke von den Galerien in Kommission, um noch mehr Kontext für das Werk der ausgestellten Künstlerinnen oder Künstler zu schaffen. Oft schreibe ich auch den Text selbst. Da ich aber keinen kunsthistorischen Background habe, geht mir das nicht bei jeder Ausstellung gleich gut von der Hand. Es hat viel damit zu tun, wie gut ich die Künstlerin oder den Künstler kenne und mich mit dem Werk aber auch mit der jeweiligen Person identifizieren kann. Es gab daher auch schon einige bekanntere Kuratorinnen, die für uns begleitende Ausstellungstexte verfasst haben. Da ist es mir nur immer sehr wichtig nicht wieder in den selben, oft schwer verständlichen „Art Speak“ zu verfallen, dem wir ja eigentlich etwas entgegensetzen wollen.

Grundsätzlich lautet das Konzept für jede Ausstellung: Wenn wir eine Ausstellung machen, dann ist hierfür eine Edition exklusiv mit oder für uns entstanden. Und im Vorfeld hatten wir die Künstlerin oder den Künstler unseren Lesern schon in Form einer Studio Story vorgestellt. Eine Kurzversion des Interviews liegt auch immer im Ausstellungsraum. Ich versuche da ein Gesamtpaket zu schaffen: die Kunstwerke und einen informativen, leicht zugänglichen Hintergrund. Denn es soll ja darum gehen, dass man Leute dazu befähigt, selbstbewusster über Kunst zu sprechen und sich auszutauschen, die vorher vielleicht noch nicht soviel mit Kunst zu tun hatten.

Wie stehst du zu digitalen Ausstellungen als alternative Form der Präsentation?

Es gibt mittlerweile viele Angebote für digitale Ausstellungsräume. Ich bin gerade erst dabei mich damit zu befassen. So ganz überzeugt bin ich noch nicht, aber wir schauen uns das in den nächsten Monaten genauer an. 

Natürlich nutzen wir auch alle digitalen Medien und wir sind viel online unterwegs. Viele kennen uns von Instagram. Aber ich persönlich bin nicht der digital native und selbst in den sozialen Medien bin ich nicht sehr aktiv. Dafür haben wir eine tolle Digitalredakteurin. Online ist super wichtig, keine Frage. Aber ich persönlich versuche mich dennoch so wenig wie möglich auf digitalen Social-Media-Kanälen aufzuhalten. Ein bisschen Digital-Detox gehört dazu. Meine bevorzugte Begegnung ist das persönliche Treffen. 

Viele Ausstellungshäuser und Galerien mussten während der Pandemie schließen. Wer vorher schon eine gute digitale Präsenz hatte, war im Vorteil und hatte plötzlich eine Alternative, die auch online gut funktionierte. Ist es jetzt für euch nicht doch an der Zeit mit all diesen Erfahrungen, die Editionen ausschließlich digital zu verkaufen?

Wir erhalten natürlich regelmäßig Anfragen über die Website und versuchen dort auch die Kunstwerke gut darzustellen und detailliert zu beschreiben. Aber der physische Raum ist und bleibt für uns extrem wichtig, weil hier die persönliche Begegnung einfach eine andere ist als eine virtuelle Interaktion online oder ein virtueller Ausstellungsrundgang. Wir haben daher zum Beispiel keinen vollautomatisierten Onlineshop. Wer sich bei uns online meldet, wird persönlich von uns kontaktiert. Meist telefonieren wir, so können wir auch praktische Aspekte wie den Versand oder die Übergabe am direktesten klären. Wir haben schon einige kreative Wege gewählt, damit ein Kunstwerk möglichst sicher und günstig in die Hände seiner Käuferin oder seines Käufers gelangt. Einmal habe ich einem Sammler sein Kunstwerk bei einem 6-minütigen Aufenthalt am Münchner Hauptbahnhof auf der Durchfahrt aus dem Zug gereicht. Das Ganze war etwas chaotisch. Natürlich hatte die Deutsche Bahn an dem Tag mal wieder umgekehrte Wagenreihung und wir mussten uns am Bahnsteig erst finden. Am Ende hat aber alles gut geklappt!

Du magst Menschen und hast einen Draht zu den Sammlern und Interessenten, das spürt man.

Mir macht der persönliche Austausch Spaß. Und da wir eben nicht so groß sind, können wir uns den persönlichen Kontakt vielleicht auch mehr leisten. Und die Leute spüren und erleben das auch, denke ich. Es ist auch immer wieder schön, von Einzelnen Feedback zu dem, was wir machen zu erhalten. Vor kurzem kontaktierte mich ein „junger Sammler“, ein sehr charmanter Herr im Pensionsalter, der sich mit seiner neu gewonnenen Freizeit intensiv mit Kunst beschäftigt. Er war auf uns gestoßen und liest nun mit Begeisterung unsere Studio Stories, um neue Künstlerinnen und Künstler kennen zu lernen und ist auch auf ein paar Editionen für seine angehende Sammlung gestoßen. Mich hat das unheimlich gefreut. Für genau solche Leute machen wir das, ganz unabhängig vom Alter!

Wo findet man euch außer in Wien und online?

Wir haben auch Messeauftritte auf der Art Cologne oder auf der Vienna Contemporary, wo wir unsere Editionen neben anderen Magazinen wie Texte zur Kunst oder dem Distanz Verlag präsentieren. Am Messestand sind wir mehr Editionsgalerie, aber meistens koppeln wir die Erscheinung einer neuen Ausgabe des Collectors Chronicle, das Print-Pendant von Collectors Agenda, mit wichtigen Messeterminen wie der Art Basel oder der Art Cologne und verteilen die neue Ausgabe dort am Messeeingang. So sind wir auch als Magazin präsent. The Collectors Chronicle ist kostenlos und ein weiterer Ansatz, die Auseinandersetzung mit Kunst möglich niederschwellig zu halten.

Nochmals zurück zum Magazin. Der Blick hinter die Kulissen beschränkt sich aber nicht nur auf die Künstlerateliers. Ihr sprecht auch mit Sammlerinnen und Sammlern und gebt somit Einblicke in verschiedene Privatsammlungen. Was unterscheidet diese Interviews und Herangehensweise von Interviews mit den Künstlern?

Wir interviewen natürlich auch gern die Sammlerinnen und Sammler, einfach weil es uns interessiert zu wissen, wie Menschen mit Kunst leben und warum sie Kunst kaufen. Ab wann fühlt man sich überhaupt als Sammler? Einige Sammler sind natürlich sehr verschlossen. Manche haben Bedenken, dass man zu viel Einblick erhält, wo genau bei ihnen eine wertvolle Arbeit hängt, überhaupt, dass öffentlich wird, was man besitzt. Manchen ist aber auch einfach ihre private Umgebung heilig und sie möchten bestimmte persönliche Gegenstände, zu denen ja auch Kunstwerke gehören, nicht der Öffentlichkeit preisgeben.

Aber wir sprechen zum Glück auch mit Menschen, die sich uns öffnen und ihre Hintergründe und ihre persönlichen Geschichten gerne erzählen. Bei einem Besuch in einer Privatsammlung versuchen wir immer so viel wie möglich zu sehen und die Bildstrecken gut in das Interview zu integrieren. Idealerweise bekommen wir nicht nur einen repräsentativen Raum zu Gesicht, sondern dürfen uns überall umsehen. Denn es ist schon spannend, was teilweise für tolle Kunstwerke und kreative Konzepte der Hängung man an überraschenden Orten wie beispielsweise einem Badezimmer zu sehen bekommt. Diese Entdeckungsreise interessiert uns und ich denke auch unsere Leser. 

Manchmal ist die familiäre Atmosphäre aber auch trügerisch. Es ist uns schon vorgekommen, dass die Leute ganz vergessen, dass da gerade ein öffentliches Interview mit Fotos entsteht und staunen dann bei der Freigabe der Bildauswahl, dass sie in Socken abgelichtet sind. Für uns ist das total ok, denn wir wollen die Leute ja privat treffen. Manche rudern dann da wieder etwas zurück. In seltenen Fällen machen wir dann einen zweiten Termin. Aber das muss allen Beteiligten dann schon sehr wichtig sein. Gerade im privaten Raum von Sammlern ist es das Beste, wenn man sich im Vorfeld verständigt, was geht und was tabu ist.

Soll sich dieser Fokus auf die Sammler auch in eurem Namen Collectors Agenda widerspiegeln?

Der Name Collectors Agenda ist ein bisschen erklärungsbedürftig. Viele sagen die Collectors Agenda, für mich ist es einfach nur Collectors Agenda, ein Markenname. Unsere Mission, wenn man so will, lautet: Kunst für mehr Menschen auf die Tagesordnung, also auf die Agenda, zu setzen. Durch die intensivere Auseinandersetzung mit Kunst möchten wir auch mehr neue Kunstinteressierte zu Sammlerinnen und Sammlern machen. Das ist Collectors Agenda.

À propos Marke, inwiefern spielt dein zweiter Beruf als Brand Consultant, als Berater für Markenstrategie, eine Rolle bei Collectors Agenda?

Ich glaube schon, dass es sich bemerkbar macht, dass ich auch Brand Consultant bin. In dieser Rolle arbeite ich ja mit anderen Unternehmen, um ihre Marke inhaltlich zu schärfen, wofür sie steht, Marktstrategien mit Markenstrategie in Einklang zu bringen und ihren Markenauftritt nach außen möglichst klar zu gestalten.

Auch wir haben von Anfang an darauf gesetzt, einen starken visuellen Auftritt mit einem prägnanten Schriftzug und einer eher wenig verwendeten Farbe, einem leuchtenden Türkis, zu entwickeln. Wir hatten uns damals eine sehr spezielle Pantone-Farbe herausgesucht. Sie wirkt als RGB Pendant digital als auch im Druck sehr schön und leuchtet wunderbar. Sie taucht als Signaturfarbe bei uns immer wieder auf. Gerade auf Instagram fällt unser Türkis ins Auge und sorgt für einen starken Wiedererkennungswert.

Wir versuchen eine scharfe Profilierung auch redaktionell umzusetzen. Alle Stories, die wir schreiben, haben ungefähr denselben Umfang. Bestimmte Fragen und Thematiken werden regelmäßig behandelt. Und bei den Bildstrecken versuchen wir, einen räumlichen Zusammenhang herzustellen, sodass man sich anhand der Bilder, die den Text begleiten, als Leser im Raum auskennt. Und es gibt eben nur die Studio Stories und die Collector Stories. Keine Rezensionen, keinen Terminkalender. Das ist inhaltlich schon sehr zugespitzt. All das haben wir aber sehr bewusst entschieden.

Um auch noch einmal zurückzukommen auf Wien als Standort; neben der Kunststadt Wien gibt es in Wien und in Österreich insgesamt auch diese Öffnung Richtung Osteuropa. Das spiegelt sich auch auf eurer Messe, der viennacontemporary, wider. Hier stellen sich viele Galerien aus Slowenien, Kroatien, Tschechien, der Slowakei und Ungarn mit ihrem Programm vor.

Wien hatte natürlich historisch gesehen schon immer diese Rolle als Tor nach Osteuropa inne – aber auch direkt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und auch heute besitzt Wien eine sehr wichtige Vermittlerrolle. Viele Unternehmenssitze oder Unternehmenszentralen für den CEE-Raum haben sich hier angesiedelt. Man genießt die Rechtssicherheit des EU-Raums und ist dennoch ganz nah dran an Osteuropa. Man sagt hier auch gerne „Der Balkan fängt in Wien an.“

Was die Kunstszene betrifft, merke ich aber immer noch, dass ich selbst viel zu wenige osteuropäische Künstler kenne und ich habe auch manchmal das Gefühl, dass in Westeuropa generell immer noch eine gewisse Ignoranz oder gar Arroganz gegenüber Osteuropa herrscht. Man orientiert sich ja oft eher Richtung Westen. Aber die Programmleiter der Kunstmesse und auch manche Galerien in Wien sind hier sehr engagiert. Auf jeden Fall ist die Nähe zu diesem Raum eine potenzielle Bereicherung und Wien kann da eine besondere Rolle übernehmen.

Welchen Einfluss hast du als Brand Consultant, wenn du als Berater in die unterschiedlichen Unternehmen hineingehst und diese berätst? Empfiehlst du den CEOs auch mal Dinge aus anderen Perspektiven zu sehen oder Dinge auch noch einmal anders zu machen? Oder sagst du von Anfang an, das ist nicht meine Aufgabe? Und kann deine Erfahrung aus der Kunstwelt dabei helfen?

Meine Aufgabe als Brand Consultant kann sehr unterschiedlich sein. Grundsätzlich ist es natürlich schon die Aufgabe eines Beraters, Dinge zu hinterfragen und neue Perspektiven aufzuzeigen, denn dafür wird man ja von extern reingeholt – auch um Dinge sagen zu dürfen, die man intern vielleicht so nicht sagen darf. Missstände und Fehlentwicklungen, die jeder erkennt, aber sich niemand traut anzusprechen.

Die selbe Rolle übernimmt ja gewissermaßen auch die Kunst. Wobei man das, glaube ich, nicht direkt gleichsetzen darf. Denn die Kunst möchte gerne Fragen aufwerfen, aber liefert nicht zwangsläufig die Antworten dazu. Und das ist okay. Ein Unternehmen, welches einen Berater ins Unternehmen holt, bezahlt ihn aber dafür, Lösungen aufzuzeigen und die Richtung aufzuweisen. Da werden konkrete Antworten verlangt. 

Was jedenfalls auffällt ist, dass Unternehmen sich seit einigen Jahren immer mehr mit ihrem „Brand Purpose” also ihrer eigentlichen grundsätzlichen gesellschaftlichen Aufgabe, ihrer Daseinsberechtigung, beschäftigen. Das „Why“, wie es der Markenexperte Simon Sinek nennt, wird immer wichtiger. Kunden und Mitarbeiter und auch Stakeholder verlangen das. 

Ich hinterfrage in meiner Funktion als Berater vieles gerne und oft, aber man muss sich immer bewusst sein, was der eigentliche Auftrag ist und was zum Ziel führt. Wenn man eine Sache für die richtige hält, das aber nicht zur Unternehmenskultur oder zu den gegebenen Möglichkeiten passt und sich in idealistischen oder grundsätzlichen Diskussionen verliert, hilft das dem Kunden nicht. 

Unternehmen wollen Resultate und eine Richtung. Und eigentlich ist man nur ein guter Consultant, wenn man es schafft, etwas zu entwickeln, was der Kunde selbst mit erarbeitet hat, woran er selbst glaubt und was er auch innerhalb seiner Möglichkeiten umsetzen kann. Es mag sich für einen selbst zunächst nicht immer zufriedenstellend anfühlen, wenn es pragmatisch wird. Aber es geht am Ende immer um Umsetzbarkeit. Eine Strategie kann noch so toll sein, wenn sie auf halbem Weg in der Implementierungsphase eingestellt wird, weil die Beteiligten sich nicht wohl fühlen, die Organisation möglicherweise sogar damit überfordert ist, oder einfach zu viel gleichzeitig aufgesetzt wird, gewinnt man gar nichts.

Das Jahr 2023 hat gerade begonnen. Habt ihr schon Pläne für das neue Ausstellungsprogramm in diesem Jahr?

Am 26. Januar eröffnen wir unsere erste Ausstellung des Jahres mit Fotografien von Tina Lechner und Zeichnungen von Andreas Werner, beide aus Wien, auf die ich mich schon sehr freue. Im April folgt dann eine weitere Duo-Ausstellung mit Elisa Alberti und Edin Zenun.

Florian, vielen Dank für die interessanten Insights!

 

Interview: Nadine Ethner, Januar 2023


Portraitfoto Florian Langhammer © Christoph Liebentritt // Collectors Agenda & The Collectors Chronicle  www.collectorsagenda.com