Axel Hütte

“Im Zentrum der Alchemie”

Groß. Massiv. Erhaben. Und zuweilen unheimlich wirken die Fotografien von Axel Hütte. Spiegelbild und Abbild. Reflektionen des Lichts in ätherischen Sphären. Axel Hütte vereint in seiner Einzelausstellung „Reflection“ in der Galerie Daniel Marzona zwei Werkserien, die gegensätzlicher nicht sein können, sich in ihrem Charakter und ihrer Zusammensetzung des Materials jedoch sehr ähnlich sind. Der Betrachter erfährt in dieser Ausstellung auch eine materielle Dimension der Bilder: Die Fotografien sind auf Glas gedruckt und auf Spiegelglas oder Metallplatte montiert – zum Teil eingeschlossen in einem olivgrünen Passepartout und gerahmt mit anthrazitfarbenem Massivrahmen.

Der Künstler initiiert ein Spiel mit unserer Wahrnehmung und mit der Wahrheit des Bildes selbst. Das Bild ist nicht nur ein planbares und abbildbares Ereignis, sondern das Bild wird in dieser Ausstellung mit in den Raum hinein projiziert: durch Lichtspiele, Reflexe und durch das Changieren mit seiner eigenen Stofflichkeit.

Es erscheinen plötzlich, je nach Position, gleißende Lichstrahlen, die ganz real aus dem Bilde zu kommen scheinen und uns mit diesem Überraschungseffekt erwecken. Die dem Lichtspiel unterworfenen Brokatstoffe an Wänden und auf Stühlen reflektieren das Licht zu uns zurück. Die großen Glasfenster in den Palästen zeigen uns ein vermeintliches Dahinter, es sind aber Räume im Hier und Jetzt. Räume, die sich in Echtzeit spiegeln. Die Schwarz-Weiß-Fotografien wandeln sich zu Schwarz-Silber-Fotografien, in denen das Weiß Licht wird und sich die Schwere des Bildes in Erhabenheit transformiert.

Wir spiegeln uns im Hier und Jetzt  – und gleichzeitig in der Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die immer wieder neu konstruiert wird, bis sie passt – wie diese antike Apotheke, welche ihren ursprünglichen Ort verlassen musste und in einer neuen Umgebung wieder aufgebaut wurde. Axel Hütte zeigt uns Innenräume, in denen Naturphilosophen der idealen Mischung zweier Komponenten auf der Spur waren. Hier also die antike, italienische Apotheke als Zentrum der Alchemie. Im Licht verschwinden die Geister.

„Das Wissen um die Möglichkeit einer Manipulation am Bild lähmt die Magie der Authentizität der Fotografie.“

Axel Hütte

Die Daguerreotypie ist vor über 180 Jahren eine der ersten Versuche gewesen, die Welt auf spiegelglatt polierten, versilberten Kupferplatten zu bannen. So manifestierte Louis Jacques Mandé Daguerre mit fast alchemischer Kunstfertigkeit das Abbild eines Augenblicks. Für uns sichtbar, greifbar und erfahrbar auch noch heute. Axel Hütte macht in dieser Ausstellung von zeitgenössischen Techniken Gebrauch, aber der Charme eines alchemischen Prozesses bleibt.

So sind die fast mystisch wirkenden, dunklen Räume und Gänge der italienischen Palazzi – hier Palazzo Barbarigo Musica, Palazzo Loredan, Fondazione Levi, Ca’Corner della Regina und das Ca’Rezzonico – verwinkelten Labyrinthen gleich. Diese Fotografien, die mit tiefschwarzem Pigment auf Glas fixiert sind und somit das Licht absorbieren und nur wenige Lichtstrahlen auf der sich spiegelnden Fläche wieder freigeben, nehmen uns mit in eine Zeit, in der nur die Morgenröte die nächtlichen Phantasmen vertrieb.  Dabei sind doch Illusion und Realität, damals wie heute, kaum voneinander zu trennen.

Der Neuen Nationalgalerie in Berlin – hier rötlich-kupfern mit extrem künstlich wirkenden Lichtreflexen – steht ein anonymer Betonpalast an den Ufern der tiefblau reflektierenden Donau in Linz gegenüber. Diese zwei großformatigen Bilder sind im Duratransverfahren auf Plexiglas gedruckt. Sie haben noch eine weitere Ebene: dort, wo sich Pfeiler, Glas, Stahl und Beton durch Neon-Lichtreflexe widerspiegeln, wird die Ebene selbst durch den äußeren Lichteinfall grafisch und dreidimensional. Eine sanfte Verschiebung findet statt und ein Bruch im Sehen irritiert auf unbekannte Weise.

Die Neue Nationalgalerie sowie eine antike Apotheke bringen in ihren Innenräumen zwei und mehr Elemente alchemisch zusammen. Mit ihren inhärenten Kräften und äußeren Energien verbinden sie sich zu einem dritten Stoff. Dieses unbeschreibliche Neue und dieses neue Dritte, das durch das Zusammenführen und Verschmelzen der Elemente entsteht, sehen wir in Axel Hüttes Fotografien.

 

Nadine Ethner / März 2016


© all images by Axel Hütte / Courtesy Daniel Marzona Berlin